Baustoff mit eigener Sprache

Es sind Projekte, die begeistern: Bei der aktuellen Runde des Fritz-Höger-Preises für Backstein-Architektur bilden die eingereichten Arbeiten wieder den ganzen Facettenreichtum des Baustoffes ab. Architektur-Expertin Christina Gräwe hat mit den Jury-Mitgliedern Susanne Wartzeck, Präsidentin des BDA, und Ulrich Brinkmann, Redakteur der „Bauwelt“, darüber gesprochen, was die Gewinner ausmacht und was der Backstein insgesamt für die Architekturszene leistet.

Susanne Wartzeck (links) und Ulrich Brinkmann (rechts).

Das Spektrum ist bei den ausgezeichneten Projekten sehr weit. Zum allerersten Mal haben wir so- gar zwei Grand Prix-Gewinner. Wollte die Jury sich nicht festlegen?

SW: Einerseits war es wohl die Anzahl der Einreichungen. Außerdem sind die unterschiedlichen Bauaufgaben immer eine Herausforderung zu einem bestimmten Materialpreis. Ich kann einen Museumsbau nicht direkt mit einem Wohnhaus vergleichen. Zunächst muss ich die Qualität beurteilen: Wo ist der Materialeinsatz so überzeugend, dass es einen mitnimmt oder man sogar feststellt: Das habe ich in der Art und Weise noch nicht gesehen. Hier hatten wir zwei Pole: ein Einfamilienhäuschen und ein Museum. Beide sind so überzeugend durchgearbeitet, dass wir uns letztlich entschieden haben, beide auszuzeichnen.

UB: Wenn ich das noch ergänzen darf: Es ging da- rum, die Konsequenz des Umgangs in der Vielfalt des Möglichen zu würdigen – von einem mit großem Aufwand geplanten Museum in der Schweiz hin zu einem kleinen, ruppigen Wohnhaus in Mexiko.

Die Jury hebt in ihren Statements zu den Grand Prix-Gewinnern zum einen die Einfachheit, aber auch die Abstraktheit der beiden Projekte hervor. Wo liegen die Unterschiede und wo die Parallelen?

UB: Es ging nicht um Aufwand, um Geld, um Perfektion, sondern um konzeptionelle Entschiedenheit in Entwurf und Ausführung. Das haben wir bei diesen beiden Projekten trotz aller Unterschiede gleichermaßen überzeugend gefunden.

SW: Wir haben hier die beiden Endpunkte der Palette: das einfachste Konstruktionsprinzip, das man sich vorstellen kann und das begeistert, weil es in Mexiko wegen der klimatischen Verhältnisse möglich ist. Das Notwendigste, ein Dach über dem Kopf, zugleich schön und ohne großen Aufwand realisiert. Und auf der anderen Seite das absolut durchgestaltete, atemberaubend perfekte Gebilde des Museums, das einen ganz anderen Anspruch an den eigenen Auftritt hat. Das Wohnhaus ist eher konstruktiv, weil es die Mauer in dem Stahlbetonskelettrahmen selbst abbildet, während es bei dem Museum um eine klassische Fassade geht.

Gold Einfamilienhaus/Doppelhaushälfte: Couldrey House von Peter Besley in Seven Hills, Australien.

Der Backstein hält den Spagat zwischen einem traditionellen Image und immer wieder neuen und überraschenden Anwendungen. Erkennen Sie eine Tendenz in der zeitgenössischen Backstein- Architektur?

UB: Der Backstein unterliegt Moden – in den 1990er Jahren etwa war bei einigen Berliner Architekten ein hart gebrannter Klinker en vogue, den man heute längst nicht mehr so oft sieht. Andererseits haben Caruso St John in Bremen erst vor wenigen Jahren ein herausragendes Projekt realisiert, das genau damit arbeitet (Grand Prix 2017). Aber ehrlich gesagt: Mich interessieren Moden nicht im Geringsten, für mich zählt allein, wie reflektiert der Materialeinsatz erfolgt und wie durchdacht er umgesetzt wird.

SW: Momentan sehe ich in der Architekturdiskussion, dass erst einmal alles erlaubt und möglich ist. Auf den Backstein bezogen glaube ich, dass es eine Rückbesinnung gibt, die schon einige Jahre läuft. Grundsätzlich glaube ich, dass der Ziegel weiterhin seine Berechtigung und seinen Platz haben wird, einfach deshalb, weil er neben der Dauerhaftigkeit seine eigene Sprache spricht, sich sehr schön in Bestehendes eingliedert und den Dialog aufnimmt.

 

Gold Büro- und Gewerbebauten: ‚Brickfields‘ Business Centre von Witherford Watson Mann Architects in London.